1. Nord-Süd-Lauf Schweiz

Sonntag 3.7. bis Freitag 8.7.2022

Konzept dieses Laufs

Bei diesem meinem nun 9. Ultra-Etappenlauf handelt es sich um einen kleinen familiären, dafür mit besonderen landschaftlichen Reizen !
Veranstaltet von Christoph Allemann (Bielersee XXL) und seiner Frau Esther. Christoph radelt und markiert vor uns auf der Strecke, Esther transportiert mit einem Kleinbus unser Gepäck und managt den Verpflegungspunkt jeweils ziemlich genau bei der Tageshälfte. Die Unterbringung erfolgt in eher kleineren Hotels, wo Abendessen und Frühstück inclusive sind.
Es haben sich 9 angemeldet : 1 Italienerin, 7 Schweizer und ich als einziger Deutscher, davon wollen 2 je nur die halbe Distanz laufen.
Die Gesamtstrecke der 6 Etappen beträgt 322 km mit 5014 Höhenmetern Anstieg. Für mein arthrosebedingtes Wochenpensum der letzten Jahre von 10 km ist die Anmeldung hierzu ein ziemliches Harakiri, das Hop oder Top ausgehen konnte. Es war mir klar, dass ich jeden Tag in der zweiten Hälfte Gehpausen benötigen würde.

Etappe 1 Bargen - Schaffhausen - Rheinau - Glattbrugg bei Zürich (57.5km, +540/-930 Hm)

Treffpunkt ist in Bargen, dem nördlichsten Dorf der Schweiz. Hier habe ich vorher im Auto übernachtet, bekomme aber nichtmal einen Kaffee zum Frühstück, da die Tankstelle noch zu hat.
Nach der Einweisung auf Schwyzerdytsch (wo blieb der Dolmetscher ?) werden wir zum Grenzstein auf etwa 830m Höhe gefahren. Von dort geht es zuerst zusammen mit Marco an der Spitze im kleinen Tal bergab bis Schaffhausen auf 400m. Wegen der Hitze brauche ich dort bereits erste Gehpausen. Auf der Bahnbrücke oberhalb des Rheinfalls gibt meine nun schon 3. MiniKamera den Geist auf. Danach überholt mich Edi und kurz vorm VP in Rheinau auch Thomas L.. Nach einem hübsch schattigen Rheinuferabschnitt folgt eine Ebene in praller Sonne, wo ich eine Dose Cafe, der nach Energy schmeckt, auskotze. Dann wieder km-lang ein traumhafter Wanderpfad an touristisch genutzter Rheinschlucht, wo mich Pierre und Paola überholen, so dass ich Vorletzter bin.
Das wird mit endlosem Treppenaufstieg 120 Höhenmeter (!) hoch Richtung Bülach, Flughafen und Glatt beendet. Die letzten km an der Glatt ohne Pfeile ziehen sich derart, dass ein Radler, den ich befrage, sogar für mich Getränke kaufen fährt !


Treffpunkt in Bargen auf 610m Höhe *1


Edi am Startpunkt im Norden der Schweiz *1


Am Rheinufer in Schaffhausen *1


Das letzte Bild : Brücke oberhalb des Rheinfalls *1


Ein schattiger Wanderpfad am Rhein ... *2


... der hier touristisch genutzt wird. *2


Erkenntnis des Tages : Die Schweiz hat viele Brunnen, aber wenig Ruhebänke oder Kilometrierung an Wegweisern.

Etappe 2 Glattbrugg - Zürich - Sihlbrugg - Schwyz (60km, +770/-680 Hm)

Über Nacht hat es geregnet, aber die Feuchte macht es am Anfang umso schweisstreibender. In Zürich klebt mir Christoph Alleman ein Pflaster auf eine Scheuerstelle und kurz danach laufe ich einen Umweg, wodurch ich aber einen Blick auf den Zürichsee (410m) erhasche.
Dann geht es angenehm still laufbar am Sihlufer aufwärts bis zum VP am Kreisel in hässlichem Industriegebiet. Nach einem Hügel bis auf 580m geht es erst tief hinunter auf 505m in den Höllgrund mit touristischer Grotte, wo mich Thomas L. abhängt und von dort ununterbrochen durch eine Schlucht bergauf bis zum 724m hoch gelegenen Aegerisee.
Als nach endlosen "Betreten verboten"-Schildern endlich eine öffentliche Bank kommt, mache ich 15min Sekt-Pause.
Am geschichtsträchtigen Ufer, wo 1315 bei Morgarten die Habsburger in den See getrieben wurden und die Schweiz begründet wurde, geht es weiter hinauf auf 800m nach Sattel. Die lange Rampe hinab in die Altstadt Schwyz (510m) kann ich trotz konstantem Gefälle und gutem Teer nicht durchlaufen. Mein Befinden war heute OK und ich erreiche trotz Pause Platz 3.


Am Bahnhof Zürich über die Limmat *2


Erste Sicht auf Berge aber erst hinab in die Höllgrottenschlucht *2


und hier stellenweise neben Thomas L. *2


Etwa in der Mitte der Schlucht : 3 Brücken aus verschiedenen Materialien *2


Sektpause am Aegerisee *2


Historisches am Marktplatz von Schwyz *2


Erkenntnis des Tages : Die Schweizer Getränkemärkte kennen weder Schorlen noch Colabier noch Pfand und Radler heisst hier Panaschee !

Etappe 3 Schwyz - Erstfeld - Göschenen (50km, +1180/-590 Hm)

Wieder hat es nachts geregnet und tags wird es sonnig. Nach leichtem bergab erreichen wir in Brunnen den Vierwaldstätter See (434m) an dessen östlichen Ufer wir auf traumhafter und mit Tunneln gespickter Panoramastrecke Ausblicke geniessen. Mein Magen verweigert heute die Aufnahme von allem, schon beim Ansetzen von Wasser hebt es mir. Somit sind ab Seeende in Altdorf wieder Gehpausen am Reuss-Ufer angesagt. Mit Pause bei Esther geht etwas salzige Brühe.
Den Rest will ich weitgehend gehen und wundere mich doch, wie spät mich die ebenfalls am VP getroffenen Edi + P&P erst überholen. Mit zunehmender Höhe wird die Luft kühler und es weht leichter Rückenwind. An einem schönen Platz in Gurtnellen mache ich nochmal 10min Rast bevor weitere steile Anstiege in praller Sonne ins Ziel auf 1100m führen.


Von Tunnel zu Tunnel überm Vierwaldstätter See *2


Traumhafte Sicht auch im Blick zurück *2


Im Felshang über dem Reuss-Tal *2


Erkenntnis des Tages : Die Schweizer Fenster haben meist keine Kippstellung !

Etappe 4 Göschenen - Gotthardpass - Airolo - Lavorgo (48.2km, +1240/-1730 Hm)

Die ersten km geht es steil bergauf, aber der Radweg ist neu geteert ! Nach der Teufelsbrücke schont uns von Andermatt bis Hospental, wo ein Extra-VP wartet, eine Art Hochebene auf 1440m. Dann geht es romantisch aber nicht laufbar, da mit durchschnittlich 9% zu steil und zu steinig, über Almwanderwege bis auf den Pass. Auch bergauf wäre wohl die Strasse schneller gewesen.
Bergab ist uns freigestellt, ob wir die Strasse mit ihren Kehren ("Tremolo") oder den noch steileren Wanderpfad nehmen. Ich bin froh, endlich wieder laufen zu können und nehme die Strasse. Lediglich die letzten Kehren sind weit ausladend und wohl nicht empfehlenswert. Hinterher sagt man mir, dass ich damit 5km mehr gelaufen bin. In Airolo auf 1170m wartet am Kirchplatz Esther und ich trinke Kamillentee.
Während es nördlich von allen Seiten rauscht, ist es nicht zu übersehen, dass auf der Südseite einige Bachbetten trocken liegen. Talabwärts entlang des Ticino wird es dann richtig heiss und es zieht sich. Mein Körper wehrt sich mit Sonnenbrand, Überhitzung und Wehwehchen. So lege ich mich in einem endlich Schatten anbietenden Park bei Faido 30min bei Sekt auf eine Bank, wobei mich wieder Edi + P&P überholen.
Im Zielort auf 615m gibt es nichtmal einen Supermarkt, so dass ich das Flüssigkeitsdefizit über Nacht nicht ausgleichen kann. Beim Abendessen wird mir nach den Nudeln übel, so dass der zweite Gang nicht, aber das Dessert wieder geht. Da mein Körper mir eindeutige Signale gibt, beschliesse ich bereits, am folgenden Tag nur Halbdistanz zu laufen. Nachts fühle ich sogar eine schmerzhafte Beule am Kopf, kann mich aber nicht erinnern, mich irgendwo gestossen zu haben.


Hinter Göschenen durch Felsen bergauf zum Soworow-Denkmal *2


Dei imposante Teufelsbrücke mit Gasthaus *2


am höchsten Punkt des Gotthardpasses : 2109m *2


dann über Serpentinen steil bergab *2


ich bin etwas stolz *2


Pause unterm Wasserfall von Faido *2


Erkenntnis des Tages : Auch die Schweizer lieben Gartenzwerge !

Etappe 5 Lavorgo - Claro - Bellinzona - Rivera (53.9km, +520/-670 Hm)

Wegen der zu erwartenden Hitze starten wir bereits um 7:30h. Doch auch damit sind wir nur die ersten 1:30h im Schatten der Bergketten, dann reicht die Kühlung durch Wasser von aussen nicht mehr, um die Körpertemperatur niedrig zu halten. Zum Glück kommt nach der Querung einer Autobahnauffahrt ein schattiger Naturpfad auf grossen Steinblöcken am Ticino-Ufer. Mein Shin-Splint schwillt bedenklich an und bei einer Eiskaffee-Pause spendet mir der überholende Thomas L. ein Tape zum Verbinden.
Ich bin froh, dass ich nur noch bis zum VP bei Esther muss und nicht mehr auf die zweite weniger schattige und dann noch ansteigende Hälfte (in 5km von 205m auf 555m, dann die letzten 2km wieder runter auf 470m) !
Da die Mehrheit sagt, dass Druck bei Shin-Splint schlecht sei, nehme ich das Tape abends bereits wieder ab.


nach 4 Etappen: Scheuerstelle an rechter Ferse : sieht schlimmer aus als es ist *2


Esther hat ein nettes schattiges VP-Plätzchen, wo ich meinen Fuss im Fluss kühlen kann *2


Die harmonische Runde beim Abendessen im Hotel *2


Erkenntnis des Tages : Die Schweizer haben unheimlich viele Baustellen, oft mit manuellen Verkehrseinweisern und bei uns wegrationaliserte Gemeindearbeiter.

Etappe 6 Rivera - Luganer See - Arbostora - Chiasso (52.8km, +610/-590 Hm)

Wieder starten wir um 7:30h und sind am Anfang oft im Bergschatten. Es geht talwärts durch Industriegebiete bis zum Luganer See auf 270m. Als bis dort immer noch kein Brunnen kommt, bettle ich an einer Restaurantküche ums Auffüllen meiner Wasserflaschen. Dann folgt die mondäne palmenbewachsene Uferstrasse, zum Glück auch weitgehend schattig. Ich mache nochmals Sektpause bevor ich an meinem Tagesziel dem VP bei Esther als letzter (denn Christian startete bereits um 7:00h) eintreffe.
Wieder wäre die zweite Tageshälfte nach weiteren traumhaften Uferkilometern (bis km 40) mit schattenloser Pampa und einem heftigen Schlussanstieg (in 1.8km von 275m auf 515m) weniger attraktiv gewesen. So fahre ich mit Esther im Auto dorthin und erlebe alle Zieleinläufe.


Erstkontakt bei km 18 mit dem Luganer See *2


Esthers VP bei km 26.1 am Strandbad Arbostora *2


Esther geht im warmen Wasser schwimmen *2


herrliche Ausblicke aus dem Auto *2


mit sichtbar geschwollenem rechten Schienbein am Punto sud CH *2


wo alle Finisher relativ dicht eintreffen *2


Erkenntnis des Tages : Die Schweizer Bahn ist nicht so pünktlich wie Schweizer Uhren oder wie erwartet.

Mein Fazit

Von der Schweiz habe ich sehr viele Facetten gesehen - der Lauf sowie Strecke und Markierung ist absolut empfehlenswert. Für mich war es eher Urlaubslauf, trotzdem ist es eine Qual, wenn man nicht durchlaufen kann und sich daher umso länger in der Hitze befindet.
Meine Knie, die Ursache des reduzierten Trainings, schmerzten hier selbst nach einem 6-Tages-Lauf kein bisschen, was ich auf die hervorragende Dämpfung meiner hierfür neu gekauften Decathlon-Trailschuhe zurückführe !
Mit solchen Vorbedingungen macht so ein Wettkampf wenig Sinn, so dass dies evtl. mein letzter Ultralauf war. Mein Schienbein ist auch eine Woche danach noch dick geschwollen, und die "Beule" nach Etappe 4 hat sich dann durch Hautfetzen als Sonnenbrand herausgestellt.
Aus der Gesamtwertung flog ich natürlich raus aber ich behalte die tollen Landschaften und vielen Bilder in angenehmer Gesellschaft in Erinnerung. Es war eine harmonische Runde !

Laufberichte Thomas Herget, LG Fulda

Bildlegende :
*1 : unterwegs geschossene Bilder von der Crazepony-Micro-Kamera
*2 : Bilder vom Samsung-Smartphone